Eine eigene Persönlichkeit in der Radiowelt aufzubauen ist mit viel Arbeit verbunden - aber nicht unmöglich... sofern es das Format des Senders zulässt.

Es gibt Sendungsformate, die mehr auf der Vermittlung von Informationen und Wissen basieren. Hier ist in weiten Strecken die reine Berichterstattung tragendes Element, was die persönliche Note des Sprechers weitestgehend in den Hintergrund drängt.

Doch, wenn es das Format zulässt, kann man auch die persönliche Note einbringen - und ab diesem Punkt tritt der Spaß, den man an seiner Arbeit hat, deutlich in den Vordergrund. Voraussetzung ist hierfür, dass man auch die Station findet, die zu einem selbst passt. Dies ist nicht nur auf das entsprechende Format bezogen; auch die Zielgruppe muss stimmig sein. Und diese Suche kann bisweilen einige Jahre in Anspruch nehmen.

Dieses heißt nun allerdings nicht, dass man bis zum Auffinden der richtigen Station die Hände in den Schoß legen soll, denn auch, wenn die aktuelle Station nicht komplett den eigenen Vorstellungen entspricht, so kann man überall auch etwas dazulernen. Einer der wichtigsten Punkte ist nach wie vor die Disziplin. Dazu zählen nicht nur die Zuverlässigkeit, sondern auch die Einhaltung der vom Sender vorgegebenen Richtlinien. Erst, wenn man das Handwerk an sich beherrscht, kann man die sicheren Pfade der Routine auch verlassen und die ersten vorsichtigen Schritte wagen, Persönliches mit einfließen zu lassen.

Um zu einer eigenen OnAir-Persönlichkeit zu werden braucht man vor allen anderen Dingen sehr viel Zeit. Anfangs wird man sich vermutlich daran orientieren, was man bei Kollegen (auch von anderen Stationen) gehört hat und was einen selbst angesprochen hat. Mein eigenes Vorbild war zu damaliger Zeit Günter Fink, welcher beim NDR nicht nur als Moderator sehr aktiv war. Mir gefiel schon immer die leicht ironische Art, die teilweise kritische Präsentation der gewählten Themen. Kritisch heißt in diesem Fall allerdings nicht, dass die Thematik negativ präsentiert wurde, sonder vielmehr, dass die Recherche weit hinter die sichtbare Fassade ging.

Diese Vorgehensweise ist nicht der Weg, um eine unverkennbare, eigene Note zu entwickeln, doch gerade anfangs gibt es einem Sicherheit. Doch Vorsicht: Nur, weil Rob Green beispielweise ein Kopftuch trägt, bedeutet dieses nicht automatisch, dass es bei einem selbst zu der gleichen selbstsicheren Art führt. Und auch der Spruch "frisch vom Plattenteller" (Wolf-Dieter Stubel) passt allenfalls dann, wenn man auch wirklich noch mit Vinyl arbeitet. Gerade ein junges Publikum, welches die Musik eher über entspechende Apps auf dem Smartphone hört, könnte durch so eine Bemerkung irritiert werden.

Das Wichtigste jedoch ist, dass man sich selbst treu und somit authentisch bleibt. Das heißt bei Weitem nicht, dass man alles über sich selbst verraten soll oder gar muss, doch die Dinge, die man aus dem eigenen Erfahrungsbereich einfließen, müssen auch der Wahrheit entsprechen.

Mein eigener musikalischer Schwerpunkt liegt in den späten 70ern und den 80ern, was nicht weiter verwunderlich ist, da ich in dieser Zeit aufgewachsen bin. Als Kind und Jugendlicher nimmt man Informationen zu den gehörten Bands und Titeln fast beiläufig auf und sie werden einen den Rest des Lebens begleiten. Alles, was man irgendwann zum ersten Mal erlebt hat, wird in vielen Fällen von Musik begleitet: Die erste Tanzstunde, der erste Kuss, das erste Auto, die ersten Discobesuche. Und gerade diese Momente sind es, die man den Hörern auch vermitteln kann, denn zum einen schafft man so das Kopfkino, wie der eigene erste Kuss gewesen ist bzw. welche Musik dabei denn lief (In meinem Fall lief beim ersten Zungenkuss "Depeche Mode - Enjoy The Silence", und meinen ersten Walzer tanzte ich zu "Curtis Stiger - I Wonder Why").

Meine grobe Zielgruppe ist die Hörerschaft 35+, doch auch das deutlich jüngere Publikum findet oftmals Gefallen an der Musik der 80er. Und während das anvisierte Publikum in Erinnerungen schwelgt, wenn ich von HiFi-Bausteinen und Lautsprechern in der Größe von Kleiderschänken spreche, so wird sich die Jugend eher darüber amüsieren, welchen Aufwand man damals betrieben hatte, um den gewünschten Sound zu bekommen und sich dabei etwas denken, was in die Richtung "...aber gute Musik spielt der alte Kerl auf jeden Fall" geht... und wieder einschalten.

Ich mache mich vor der Hörerschaft nicht komplett nackt, und doch kann ich durch die vorsichtige Platzierung persönlicher Information eine bessere Nähe zum Hörer schaffen. Viel mehr als mein Gesicht auf der Webseite des Senders und den dazugehörigen Steckbrief findet man zumindest im direkten Zusammenhang mit dem Radio nicht über mich - dank verschiedener Suchmaschinen ist es aber zweifelsohne möglich, eine gewisse Spur durch die verschiedenen Stationen nachzuvollziehen, da ich schon vor langer Zeit begonnen habe, unter meinem bürgerlichen Namen vor dem Mikrofon aufzutreten. Teilweise werden auch die Social-Media-Plattformen eingesetzt, doch da man gerade hier mit Informationen geradezu überhäuft wird, sehe ich in einem eigenen Webauftritt einen größeren Vorteil.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier - und so bleiben viele Menschen der Radiostation treu, die sie schon immer gehört haben (meine eigenen Großeltern haben, so lange ich mich erinnern kann, nur einen einzigen Radiosender gehört). Und an dieser Stelle kommt das eigentliche Hörverhalten zum Tragen. Hört man nebenbei während der Arbeit oder in der Küche beim Kochen zu oder ist es weniger akustische Berieselung, sondern die ausschließliche Unterhaltung, die man in diesem Moment wahrnimmt? Gerade in letzterem Fall ist die Stimme nebst der Art der Präsentation von enormer Wichtigkeit.

Zwei Gründe sind entscheidend, um eine bestimmte Sendung bzw einen bestimmten Moderator zu hören: a) man liebt die Art oder b) man hasst sie und will sich aufregen. Eine OnAir-Persönlichkeit muss polarisieren. Es gibt mit Sicherheit Hörer, die abschalten, wenn meine Sendezeit gekommen ist, weil sie mit meiner Art nichts anfangen können. Doch noch schlimmer wäre es, wenn man abschaltet, weil man mich nicht wahrgenommen hat. Genau dies ist die Gefahr der jungen, dynamischen Stimmen der heutigen Zeit in vielen Stationen. Alle haben die gleiche Art zu sprechen, Informationen zu präsentieren, die Musik zu kommentieren.